www.isra-mart.com
Isra-Mart srl news:
Damit auch Ökostrom zum Kunden kommt sind rund 3500 Kilometer neue Stromleitungen nötig – denn schon jetzt drohen, laut der Deutschen Energie-Agentur, Netzausfälle.
Wer wissen möchte, wie kritisch die Situation im deutschen Stromnetz wirklich ist, muss sich nur bei 50 Hertz melden. Der inzwischen eigenständige ehemaligen Vattenfall-Tochter gehören die ostdeutschen Stromautobahnen, sie muss dafür sorgen, dass die Spannung stets stabil bleibt. Das Problem: Erneuerbaren Energien, vor allem Windstrom, speisen dort immer mehr Elektrizität ins Netz, während der Verbrauch vor Ort sinkt.
Strom muss zunehmend in die Verbrauchszentren transportiert werden – und die konzentrieren sich auf den Süden und Westen Deutschlands. Doch der Leitungsbau kommt in Deutschland nicht voran, während der Bedarf an neuen Verbindungen steigt. Die Folgen sind dramatisch, sagt ein Sprecher. Schon jetzt müssten an knapp 200 Tagen im Jahr Sondermaßnahmen ergriffen werden, damit das Netz stabil bleibt. Wartungsarbeiten werden verschoben, fossile Kraftwerke heruntergefahren und als letzte Maßnahme sogar Windräder stillgelegt – was bisher aber nur wenige Male vorkam. Das System, so heißt es bei 50 Hertz, operiere häufig an der Belastungsgrenze, wenn eine kräftige Windfront über das Land fegt. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir in eine Situation kommen, in der auch Stromausfälle möglich sind – wenn jetzt nicht gegengesteuert wird.“
Da überrascht es kaum, dass die Netzerweiterungen groß ausfallen müssen, um noch zusätzlich erneuerbare Energien zu integrieren – schließlich soll sich die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2020 verdoppeln. Und doch überraschten die Zahlen, die gestern bekannt wurden: 3500 Kilometer neue Hochspannungs-Stromleitungen müssen in dieser Zeit gebaut werden, gab die Deutsche Energie-Agentur bekannt. Zusätzlich zu den bestehenden 22 000 Kilometern. Dena-Chef Stephan Kohler sagte der FR: „Wir haben einen gewaltigen Bedarf an Investitionen in die deutschen Stromnetze“.
Allerdings sei es nicht so, dass wenige, sehr lange Stromleitungen gebaut werden müssen. „Wir müssen mit vielen Verbindungen das bereits engmaschige deutsche Stromnetz noch dichter knüpfen“, so Kohler. Neben den Nord-Süd-Leitungen, die hauptsächlich für die Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee nötig sind, müssten auch zahlreiche Ost-West-Leitungen entstehen. „Im Osten gibt es große Flächen zum Beispiel für die Windkraft, aber nur wenige Verbraucher.“ Ende des Jahres, so Kohler, werde die vollständige Dena-Netzstudie, die in einer frühen Fassung gestern durch eine Indiskretion vorab an die Öffentlichkeit gelangte, mit allen Details vorliegen. Zwar könne ein Teil der neuen Stromleitungen eingespart werden, wenn alte Leitungen mit Hochtemperaturleiterseilen ausgestattet würden, die mehr Strom übertragen können. Doch das würde viele Milliarden zusätzlich kosten. Und der Preis des Netzausbaus ist schon mit konventionellen Techniken groß: Die Dena beziffert die Kosten für die 3500 Kilometer auf sechs Milliarden Euro. Letztlich müssen die Stromverbraucher diese Kosten tragen, denn Netzbetreiber dürfen sie auf die Stromrechnung schlagen. Die Kosten sind ein Problem. Hinzu kommt der Widerstand gegen die Baupläne in den betroffenen Gemeinden. Deshalb kommt der Netzausbau derzeit kaum voran. Von den 850 Kilometern neuer Leitungen, die in der Dena-Netzstudie von 2005 festgelegt worden waren, sind bisher nur 80 Kilometer gebaut worden. Jede Möglichkeit, rechtlich Einspruch zu erheben, werde ausgeschöpft, heißt es bei 50 Hertz. „Dazu kommen noch Planungsänderungen von den Behörden. So verzögern sich die Projekte um Jahre.“
Helmuth Groscurth, Chef des Arrhenius Instituts für Energie- und Klimapolitik in Hamburg sieht nun die Ausbaupläne für erneuerbare Energien gefährdet. „Wenn wir eine Situation bekommen, in der die Windkraftanlagen ständig heruntergeregelt werden müssen, ist der ökonomische Nutzen sehr fraglich. Deshalb muss der Netzausbau höchste Priorität genießen. Und zwar sofort.“
Wie aber soll es möglich sein, Tausende Kilometer in zehn Jahren zu bauen, wenn nicht einmal Hundert in den vergangenen fünf Jahren geschafft wurden? Bei 50 Hertz, bei Dena-Chef Kohler und bei Helmuth Groscurth herrscht Einigkeit: Es müsse offensiv für den Netzausbau geworben werden. Kohler sagt: „Es muss allen klar sein, dass wir nur mehr regenerative Energien bekommen, wenn wir auch die Netze ausbauen.“ Bei 50 Hertz ergänzt man: „Das deutsche Recht sieht sehr umfängliche Umwelt-Ausgleiche vor. Wenn wir einen Baum fällen, müssen wir oft zwei an anderer Stelle pflanzen. Nur für die Menschen gibt es keinen Ausgleich, wenn sie bald einen Strommast hinterm Haus haben.“
