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Die unterirdische Speicherung von CO2 sollte einen wichtigen Beitrag für die Rettung des Klimas leisten. Doch die Chancen der Technologie in Deutschland sind schlecht wie nie. Auch nach monatelangem Hickhack hat die Regierung kein Gesetz vorlegen können. Jetzt droht ein EU-Strafverfahren.
Das Land ist flach, die Menschen rar. Doch wer durchs Oderbruch im Osten Brandenburgs fährt, kann eines schnell erkennen: Viele Bewohner sind stinksauer. "Stoppt die CO2-Sauerei" steht auf Transparenten, an vielen Ortsschildern ist ein gelbes "X" aus Holz befestigt. Am Ortseingang von Letschin steht der Slogan "Wehrt Euch gegen CO2" neben ein paar weidenden Schafen. Den großen Kreisverkehr im Zentrum zieren gekreuzte gelbe Hölzer.
Wie im kampferprobten Wendland sieht es aus. Dabei gibt es hier weit und breit keinen Atommüll. Die Wut hat einen anderen Grund: Der Energiekonzern Vattenfall will etwa einen Kilometer unter den Feldern und Häusern der Gegend ausprobieren, ob das Klimagas CO2 langfristig weggesperrt werden kann. Mit der Technologie soll die Braunkohleverstromung klimafreundlicher werden - direkt aus dem Kraftwerk soll das Gas in sein unterirdisches Gefängnis, ohne die Atmosphäre aufheizen zu können.
Doch die Anwohner des geplanten CO2-Lagers laufen Sturm: "Wir sind keine Versuchskaninchen", wettert Frank Steffen, Bürgermeister der betroffenen Gemeinde Beeskow. Das Oderbruch ist bundesweit nur eines von vielen Widerstandsnestern gegen die sogenannten CCS-Technologie ("carbon capture and storage"), vielleicht aber das entscheidende.
Ein am Donnerstag vorgestelltes Gutachten im Auftrag der Umweltschutzorganisation BUND nährt jetzt die Kritik. In dem Papier kommt der Geologe Ralf Krupp zu dem Ergebnis, das die Technologie erhebliche Risiken birgt. Neben der Gefahr durch freiwerdendes CO2 könne es durch das Kohlendioxid auch zu Trinkwasser-Verunreinigungen kommen.
"Ich halte die Sorgen für übertrieben und kann die teilweise Panikmache nicht nachvollziehen", hält Hildegard Müller, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE dagegen. Auch Forscher des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam haben stets erklärt, bei einem Testprojekt im brandenburgischen Ketzin seien bisher keine größeren Probleme aufgetreten. Der BUND-Energieexperte Robert Pörschmann hält dagegen, ein CCS-Gesetz dürfe nicht verabschiedet werden, "wenn die Sicherheit für Mensch und Umwelt nicht gewährleistet werden kann".
Seit Monaten brütet die Bundesregierung nun über dem Gesetzentwurf zum Test von CCS in Deutschland. "Wenn das Gesetz nicht bald verabschiedet wird, verpasst Deutschland die Chance auf internationale Technologieführerschaft in diesem Bereich", warnt Energielobbyistin Müller. Nach einer schnellen Einigung sieht aber derzeit kaum etwas aus. "Die Abstimmung über den CCS-Gesetzentwurf läuft noch", lässt das Umweltministerium in Berlin wissen - seit Wochen schon. Dabei gibt es eigentlich einen Entwurf, den Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftskollege Rainer Brüderle (FDP) im Sommer vorgestellt hatten. Doch bis heute war das Gesetzesvorhaben nicht im Kabinett. Vergangene Woche wurde es kurzerhand von der Tagesordnung gestrichen.
Grund ist ein monatelanger Streit zwischen Berlin und den Ländern, der nach wie vor schwelt: Die Regierungen in Schleswig-Hostein und Niedersachsen wollen weitgehende Vetorechte im Gesetz verankern. Weil die Nordländer geeignete geologische Formationen aufweisen, fürchtet man in Kiel und Hannover massive Bürgerproteste. "Gegen den Willen der Bevölkerung werden wir so etwas nicht machen", ließ der Schleswig-Holsteinische Landesvater Peter Harry Carstensen wissen. Er hatte bereits in den vergangenen Tagen der großen Koalition ein Gesetzesvorhaben platzen lassen.
"Dann muss man einen Dammbruch befürchten"
Der aktuelle Entwurf sieht vor, dass die Länder in ihren Raumordnungsplänen begründen müssen, warum eine bestimmte Region nicht für die CO2-Speicherung in Frage kommt - etwa weil dort die Energienutzung aus Erdwärme gefördert werden soll oder der Tourismus leiden könnte. Doch den Kritikern aus dem Norden geht das nicht weit genug. Sie wollen CCS auch kategorisch ausschließen können. Fachleute sprechen von einer sogenannten Opt-Out-Klausel, die den Einsatz der Technologie im gesamten Bundesland ausschließen würde.
Manch ein Ministerialer in Berlin beklagt hinter vorgehaltener Hand, dass man dann den Föderalismus vergessen könne. Wenn solche Klauseln Schule machten, könnten sich einzelne Länder auch aus anderen vermeintlich missliebigen Gesetzen ausklinken. "Dann muss man einen Dammbruch befürchten", sagt auch BDEW-Chefin Müller. "Auch beim Bau von neuen Leitungen, Energiespeichern oder Windkraftanlagen könnten sich Länder sperren."
Eine andere Variante wäre, das Gesetz mit einer Opt-In-Klausel zu versehen. Das bedeutet, dass nur interessierte Länder die Technologie überhaupt testen dürften - und wäre wohl der Todesstoß für CCS in Deutschland. Wichtigster Befürworter der Kohlenstoffspeicherung war bisher Brandenburg. Große Tagebaue und Kraftwerke machen Braunkohle für das Land zum wichtigen Wirtschaftsfaktor.
Doch die Kohle und die Tausenden von Arbeitsplätzen, die an ihr hängen, haben wegen der miesen Klimabilanz nur eine Zukunft, sofern das CO2-Problem gelöst werden kann. Allerdings will die rot-rote Landesregierung in Potsdam nicht als einziger Fan der CO2-Abtrennung dastehen - das wäre den wütenden Bürgern im Oderbruch schlicht nicht zu verkaufen. Wie um alles in der Welt soll man dem zürnenden Landvolk eine Technologie schmackhaft machen, die andere Bundesländer wegen ihrer vermeintlichen Gefahren ablehnen?
"Das Gas ist nicht rückholbar"
Deswegen sind die Proteste im Oderbruch so wichtig. Könnten sie doch dafür sorgen, dass das einzige Bundesland mit erklärter CCS-Begeisterung sich nicht traut, ein Projekt zu starten. Auch in Sachsen-Anhalt, wo das CO2 in alten Erdgaslagerstätten verbunkert werden könnte, gibt es Widerstand. "Das Gas ist nicht rückholbar", beklagt Lothar Lehmann von der Bürgerinitiative "Kein CO2 Endlager Altmark". "Wenn es einmal im Gestein ist, dann reagiert es unkontrolliert." Gerade hat der Landtag von Sachsen-Anhalt die CO2-Speicherung aus dem Landesentwicklungsplan gestrichen.
